Ist es gesund, die Melancholie zu lieben?
„Das gerade Gegenteil der Manie ist die Melancholie. Während der Manische heiter, beweglich, ablenkbar und optimistisch ist, ist der Melancholiker traurig, bewegungsarm, unablenkbar und bis zur tiefsten Verzweiflung Pessimist. Auch bei der Melancholie ist die Grundlosigkeit der Depression das entscheidende Symptom; sie ist entweder überhaupt nicht durch äußere Anlässe ausgelöst oder steht in krassem Mißverhältnis zur Geringfügigkeit der Ereignisse, die als auslösender Anlaß erlebt werden“ (Rohracher, 1965).
Das ist eine der zahlreichen Definitionen von Melancholie, der ich so nicht ganz zustimmen kann. Sie klingt aussichtslos, als wäre die Melancholie ein „für immer“, ohne „wenn und aber“. Ich habe keine einzige gefunden, die diesen Zustand als etwas Bereicherndes, Kraftvolles und Beruhigendes und durchaus Schönes bezeichnet hätte. Woran kann das liegen?
In unserer Gesellschaft scheint es nur noch darauf anzukommen, immer nett, positiv, aktiv und schnell zu sein. Müsste man einen psychologischen Ausdruck finden, würde „Manie“ am ehesten zutreffen. Alles muss schneller, besser und größer sein. Und wenn es das noch nicht ist, dann muss es das werden.
Allein sein (wollen) ist komisch, außer man kann daraus Profit schlagen. Zum Beispiel wenn man zu lange nicht melancholisch oder zumindest gedämpfter, besinnter und gechillt war, sondern permanent-manisch war und dann mit Burnout auf eine einsame Insel zu einem Abzockepreis zu einem Abzocke-Guru fährt. Damit man dort all die Melancholie nachholen kann.
Ich bin gerne Mal in der Stimmung der Melancholie und lasse mich in sie fallen. Gerne alleine, auch länger. Und es geht mir dabei aber gut. Sehr gut sogar. Viele verwechseln den Wunsch nach allein sein, nach ein wenig „schwerer Stimmung“ oder auch daraus resultierenden Gedichten und Gedanken mit „Depression“ oder „Eigenartigkeit“ im negativen Sinne.
Doch hat nicht jeder Mal das Bedürfnis, sich der Schwere, dem Nachgrübeln, einer gewissen Wehmut, der Nostalgie, den eigenen kreisenden Gedanken hinzugeben? Als Ausgleich zum Ganztags-Happy der Gesellschaft. Oder den grauenhaften Allgemeinstimmungen (vor allem verstärkt durch die Medien). Muss es wirklich notwendig sein, dass andere bestimmen, dass wir aufgrund von Bildern sentimental, traurig oder glücklich werden? Kann ich nicht selbst entscheiden, dass mir hier und jetzt nach dies und das zumute ist? Meine Antwort ist ein klares ja!
Warum liebe ich die Melancholie?
- In ihr entstanden meine (für mich persönlich) schönsten Gedichte.
- Das Schwelgen in ihr ist so unbezahlbar wie Hochstimmung. Ich brauche es von Zeit zu Zeit, wie jede andere Stimmung auch.
- Wenn ich einen halben Tag lang extrem aufgedreht war, sehne ich mich nach ihr, um runter zu kommen.
- In ihr habe ich die schönsten Lieder entdeckt.
- Dann merke ich, dass ich mich mag und ich gerne allein bin.
- In ihr schöpfe ich Kraft, da sie mich wieder runterholt und ausgleicht.
- Darin habe ich die schönsten Gedichte gefunden.
- Mit ihr habe ich einsame, aber unvergessliche Momente verbracht.
- Mit ihr kann ich sehr schön in andere Zeiten reisen. In bessere, schlechtere, traurigere, bewegende.
- Sie verbindet mich mit Menschen, die nicht mehr in meinem Leben sind, mit denen ich aber richtig gute Zeiten hatte.
- Sie macht mir wieder klar, dass man selbst Tiefe und Schwere leben kann, unabhängig vom Allgemeinwahnsinn.
- Mit ihr werden Bilder der Vergangenheit bedeutungsvoller, spürbarer.
- Mit ihr sehe ich die Welt für eine Zeit lang aus einer anderen Perspektive.
Ich glaube, dass viele Leute Angst davor haben, Melancholie, Schwere und Tiefe zuzulassen. Vielleicht würden sie nicht mehr raus finden. Vielleicht wüssten sie nichts damit anzufangen. Oder möglicherweise gibt es auch Personen, die diese nicht in sich haben. Natürlich ist es nicht gut, wenn man permanent nur in dieser Stimmung schwelgt. 1. Wäre das dann auch schon eine Depression oder ähnliches und 2. ist es in keiner der vielen Stimmungen gesund, für immer zu verharren.
Egal was andere davon halten, oder von mir, wenn ich mich gerne und regelmäßig der Melancholie hingebe: Für mich ist sie ein wichtiger Bestandteil (m)eines Lebens.
Da die Melancholie oft mit einer Depression verwechselt wird, gibt es hier einen extra Text zum Thema Depression.
Herbstliche Grüße,
Eure Nicole
©Nicole Inez
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Ich liebe Melancholie, uns sie hat für mich nichts Negatives. Schöner Beitrag!
Danke 🙂 Sind wir schon zu mehrt 😉
Naja, vielleicht ist es schon ein bisschen traurig, dass man überhaupt den Zustand, dass man mal in Ruhe über sich und die Welt nachdenkt, mit einer Gemütsverfassung titulieren muss. Ich finde diesen Zustand durchaus ziemlich normal (und sehr notwendig). Wahrscheinlich würde es den allermeisten ganz gut tun, hin und wieder mal etwas Zeit sich selbst zu widmen und nicht von einer Zetstreuung zur nächsten zu hecheln.
In diesem Sinne wünsche ich allen produktives Alleinsein – zur rechten Zeit am rechten Ort.
Ich glaube schon, dass es noch einen Unterschied gibt, zwischen über sich und die Welt nachdenken und melancholisch sein. Melancholie hat für mich schon eine eigene Stimmung. Aber eben eine bereichernde, auch wenn sie sich schwer anfühlt und tiefer geht, als andere Stimmungen….
Dennoch sollten viele mal mit dem Allein sein anfangen, vielleicht entdecken sie dann mehr von sich selbst 😉
… und Freude an Melancholie 😉
Vielleicht war es etwas unscharf ausgedrückt. Ja, Melancholie im eigentlichen Sinne ist etwas Anderes, als über sich nachzudenken. Aber häufig wird im „Alltag“ ja schon das „normale“ allein-Sein und Nachdenken als melancholisch bezeichnet. Und das finde ich nicht so passend.
Da gebe ich dir natürlich Recht…. Ich werde regelmäßig schief angeschaut, wenn ich sage, dass ich sehr gerne viel allein bin… Oft wurde mir auch schon geraten „nicht so viel nachzudenken“….
Ich brauche sie auch, diese Melancholie…
Danke für diesen Text, liebe Nicole. Auch ich musste schon feststellen, dass es in der Gesellschaft gar nicht gut ankommt, wenn man nicht immer der Spaßmacher und Entertainer ist.
Zeiten des Alleinseins, des Nachdenkens, des Innehaltens sind meiner Meinung nach, gerade in dieser schnelllebigen Zeit lebensnotwendig.
Herzliche Grüße,
Dana
Gerne, liebe Dana!
Das ist wirklich traurig, dass man nicht alle Seiten an sich ohne Verurteilung leben „darf“…. finde dennoch gut, dass es Leute wie dich und mich gibt, die es dennoch machen 🙂
Diese Zeiten sind auf jeden Fall lebensnotwendig…
Liebe Grüße an dich;
Nicole
Und mal wieder reine Übereinstimmung. Langsam wird es langweilig, liebe Nicole! 😉
Ich finde es auch ganz wichtig, jede Stimmung zuzulassen. Das Schöne ist ja: Wenn man sie annimmt, verzupft sie sich dann auch von selbst wieder.
Haha, das freut mich echt 🙂 Besser das, als wir werden langweilig 😉
Das stimmt…. Wenn man es nämlich nicht zulässt, dann fällt man irgendwann total rein und kommt nicht mehr hinaus….
Du sprichst mir aus der Seele 🙂
Melancholie ist so ein schönes Wort, ich wünschte es gäbe mehr Menschen, die diesen Zustand schätzen. Sie lässt jemanden nachdenken, über sich und die Welt und erst durch diese Selbstreflexion kommt man zur geistigen Reife und zur inneren Selbstfindung
Es gibt Leute, die sogar Angst haben, dass sie zu viel darüber nachdenken und das merkt man vor allem bei jungen Leuten.
Wie auch immer, ich finde es echt stark, dass du dich mit dem Thema auseinander setzt. Wahrscheinlich steckt in jedem von uns ein Romantiker, bei dem man nur abklopfen muss 😉
PS: Vielleicht wäre es eine nette Idee melancholische Lieder auszutauschen? 😀
Das freut mich wirklich. Dachte anfangs, ich werde damit relativ allein dastehen und bin umso mehr verwundert und erfreut, dass es auch anderen so geht 🙂
Da gebe ich dir Recht, gerade junge Leute halten nichts davon, tiefgründig zu sein. Oberflächlichkeit kommt am besten an, aber in ihr kann ich leider nicht leben 😉
Dankeschön, danke 🙂
P.S.: das können wir gerne machen! 🙂
Ich mag diese melancholischen Stimmungen auch. Und sie sind absolut nicht mit Depressionen zu vergleichen, finde ich, die kenne ich leider auch.
Ich bin auch gerne fröhlich, sehr gerne sogar, aber das kann man nicht immer sein. Mal melancholisch zu sein, ist absolut nichts Schlimmes. Genau, in dieser Stimmung entstehen manchmal die schönsten Texte und Gedichte. 🙂
Liebe Grüße,
Martina
Hallo Martina 🙂
Finde ich auch nicht, sie (die Melancholie) geht nur auf einem Ranking von heiter bis düster, eher in Richtung düster und deshalb kommt vl. auch oft der Vergleich, weil sie auf der Skala in ähnlicher Richtung liegen.
Die Definitionen die man zur Melancholie findet, sind echt erschreckend und negativ….
Da gebe ich dir vollkommen Recht 🙂 Bin echt froh, dass es auch andere Leute gibt, die melancholische Stimmungen mögen und schätzen 🙂
Liebe Grüße;
Nicole
Deinen Gedanken hierzu kann ich gut folgen. Ich mag all meine emotionalen Varianten (er-leben).
Schön, dass es mehr Menschen gibt, die das nachvollziehen können 🙂
Ich bin sehr introvertiert und deswegen auch sehr gerne alleine, aber das scheint nie jemand zu verstehen, deswegen konnte ich mich in deinem Text ohne Probleme wiederfinden. 🙂 Schön, dass es mehr Menschen gibt, die so denken. Manchmal braucht man einfach eine Auszeit.
Liebste Grüße
Schön zu lesen, dass es dir auch so geht 🙂 Am wichtigsten ist wahrscheinlich eh, dass man sich selbst versteht 😉
Liebe Grüße zurück,
Nicole
Ich kann Deinem Artikel nur zustimmen! Vor allem dem ersten Punkt: Die für mich tiefgründigsten und besten Sachen habe ich geschrieben, wenn mir melancholisch zu Mute war, und dabei kamen nicht nur melancholische Texte raus. Dieser Rückzug in sich selbst ist für eine gründliche Reflexion einfach unverzichtbar.
Schön, das du das auch so siehst, liebe Corinna. Und schön, wieder von dir zu lesen 🙂
Habe gerade ein neues, zeitintensives Hobby namens Davide gefunden und bin zwar regelmäßig online, aber viel seltener. So schaffe ich es leider nicht mehr zu allen mir Folgenden und bin froh, wenn sie sich mit Kommentaren und Likes in Erinnerung bringen. 🙂
Ich mochte auch Deinen Beitrag über das innere Kind.
Melancholie hat einen eigenen Raum in meinem Seelenhaus. Danke für Deine Ausführung.
Schön zu lesen 🙂 Das ist gut und wichtig so!
Also wenn das nicht zu 100% auch auf mich passt, ärgere mich grade dass ich diesen Artikel von dir erst jetzt lese. So was von wahre Worte und ich kann dir nur zustimmen! Wir sind, auch wenn das viele nicht verstehen mögen, GERNE hin und wieder melancholisch, mal öfters, mal eine Zeit lang nicht, aber es gehört zu uns und irgendwo brauchen wir das auch. Ich denke nur, dass es Phasen der Melancholie mit unterschiedlichen Intensitäten gibt, was die Stimmungslage und das Wohlbefinden angeht.
Danke für diesen Beitrag, Nicole!! 🙂
Schön, lieber Jim! 🙂 Genau so ist es… Jeder soll und darf melancholisch sein, wann immer er/sie das möchte! Abgesehen davon, dass es in unserer Gesellschaft endlich geduldet werden sollte, wenn man „echt“ ist und gerne Mal nicht happy, funktionierend und glänzend ist… Sondern einfach nur Mensch und authentisch..
Gerne, Tim! Danke für ein Kommentar 🙂
Einen wunderbaren Blog hast Du da, Deine Ironie trifft (mich). Herrlich. Und auch „Nichtironisches“ wie hier ist schön zu lesen. Und nachzudenken. „Es gibt noch mehrere, die so denken“, ist schön zu sehen. Danke für Deinen Besuch, eine schöne Erinnerung, weiter meine Texte zu verfassen 🙂 LG Mies
Hallo Mies 🙂
Vielen Dank für dein Kommentar 🙂 Das freut mich zu lesen, dass dir mein Blog in seinen Facetten gefällt… Mein Besuch bei dir war sicher nicht der letzte….
Liebe Grüße,
Nicole
Ach, liebe komplett fremde Nicole aus dem Internet.
Ich bin durch den zufälligsten Zufall auf deine Seite gekommen, gegoogelt hatte ich etwas anderes. Der Titel hat mich gecacht, die einleitenden Sätze überzeugt, du kannst schreiben, gute Frau, und dann lese ich einen Text, der mir so aus der Seele spricht, ich hätte ihn selbst verfassen können. Manchmal können fremde Menschen aus dem Internet eben viel besser ausdrücken wie man fühlt ^^. Das allertollste ist, genau heute habe ich wieder so einen Tag und genau das was du beschreibst ist passiert. Anfangs hatte ich mich kurz verloren, doch wie so oft wurde ich von Musik errettet. Eine mir vorher unbekannte Indieband ließ mich endlich wieder die Liebe zur Melancholie finden, die ich immer so sehr genossen habe. Seit langer Zeit habe ich endlich wieder ein Gedicht geschrieben, gerade eben und ich möchte es mit dir teilen.
Ich wünschte es wär anders
Manchmal schließe ich meine Augen. Einfach so. Dann schwebt mein Geist aus meinem Körper und beobachtet mich aus einer objektiveren, sicheren Entfernung. Er lässt mich wandern. Er sieht uns an. Am Küchentisch sitzend. Streitend. Schreiend. Wir hatten Gott und seine Welt. Flüsse aus Gold und Winde aus Vanille. Wir thronten über aller Lärm, verloren in der Stille unserer Gemeinsamkeit. Manche werden aufgesaugt, verlieren sich im Wald der Ströme tausender Gedanken, alle zur selben Zeit. Nicht wir. Nicht wir. Du hattest mich nicht gefragt, dich einfach zu mir gesetzt, das war fast schon aufdringlich. Keine drei Sätze hatten wir gewechselt. Du hattest mich gefragt, ob du mal probieren kannst und mein Getränk einfach getrunken ohne eine Antwort abzuwarten. Das war fast schon intim. Nur weil ich dich nicht liebe, bedeutet das nicht, dass ich nicht immer noch zusammenfahre, wenn du mich so ansiehst. Gänsehaut lügt nicht. Du schon. Du bist so schrecklich vorhersehbar und langweilig, dein Leben ist ein Kalender. Versuch nicht mich zu ändern, du langweilst mich. Deine Haare, die du ständig zu einem Dud misshandelst, abstoßend. Du sagst ich trinke zu viel und wie sehr du es hasst, dass ich immer nach Nikotin stinke, wenn wir uns küssen. Mir doch egal. Vielleicht ist Hass Teil der Zuneigung. Der Klang in deiner Stimme wird brüchig, wenn du lügst. Ihre Farbe wird höher. Die Entfernung zwischen uns, wenn du mich beinah berührst, ist angenehm warm, seit dem du nicht mehr bei mir schläfst.
Manchmal schließe ich meine Augen. Einfach so. Dann schwebt mein Geist aus meinem Körper und beobachtet mich aus einer objektiveren, sicheren Entfernung. Er sieht mich an. Am Küchentisch sitzend. Gespräche führend. Allein.
Ich wünschte es wäre anders.
Vielen Dank, liebe fremde aus dem Internet, dass du mir den Abend versüßt hast und mir dieses schöne Gefühl ins Bett mitgegeben hast, dass ich nicht alleine bin.
Liebe Grüße aus Österreich.